Wie alles begann?

Bereits in den 80ziger Jahren fuhren Kollegen nach München, um sich „Mini-München“ anzuschauen. Mini-München ist sozusagen die Mutter der deutschen Kinderspielstädte. Hier wurden die theoretischen Grundlagen erarbeitet und die Idee erstmals praktisch umgesetzt. Versuche, dies im großen Stil auch in Karlsruhe zu etablieren,  scheiterten mehrfach  an der Finanzierung. Allerdings gab es eine Reihe von kleineren, thematisch orientierten Vorläufern in diversen Jugendhäusern, den Aktivspielplätzen und vor allem bei der Mobilen Spielaktion.

Der richtige Zeitpunkt für den großen Wurf schien aber gekommen, als Karlsruhe sich für den 300. Stadtgeburtstag rauszuputzen begann. Der Vorschlag, eine Kinderspielstadt anlässlich des Stadtjubiläums einzurichten, fand wohlwollende Unterstützung, zumal alle anderen Großprojekte im Jubeljahr an den Bedürfnissen von Erwachsenen oder Jugendlichen orientiert waren. Auch der Vorstand und die Geschäftsführung beim stja fanden den Zeitpunkt günstig und gaben das finale „Go“, um
Karlopolis erstmals auf den Weg zu bringen. Die Basisfinanzierung bestand in einem Zuschuss aus dem „Stadtgeburtstagstopf“ sowie aus Elternbeiträgen. Schließlich fanden sich etliche namhafte Sponsoren, die den Restbeitrag für das Abenteuer beisteuerten.

Auftakt

Die Spielstadt musste für Karlsruhe neu erfunden werden. Bereits 2014 fand sich ein Team aus erfahrenen Pädagoginnen und Pädagogen beim Stadtjugendausschuss zusammen. In zwei Klausuren erarbeiteten sie ein Handbuch, in dem Karlopolis theoretisch definiert wurde. Speziell mit der Geldwirtschaft innerhalb der Kinderspielstadt beschäftigte sich eine Vorlesung an der Fachhochschule in Kehl. Um nicht ganz blauäugig in das Abenteuer Karlopolis zu stürzen, wurde im April 2015 im Jugendhaus Durlach mit 50 Kindern der Schülerakademie Karlsruhe ein eintägiger Testlauf durchgeführt. Die gewonnen Erkenntnisse führten zu einigen Korrekturen in der Konzeption. Insbesondere in der Geldwirtschaft gab es einiges nachzujustieren.

Im Februar 2015 war der Verkaufsstart beim Jugendfreizeit- und Bildungswerk. Die erste Ferienwoche in Karlopolis war nach wenigen Tagen ausverkauft. Dies ist insofern bemerkenswert, weil bis dahin, außer im jfbw Programmheft, kaum offizielle Werbung gemacht wurde.
Nach reichlich Vorbereitungszeit  und noch mehr Nervosität bei den Beteiligten öffnete Karlopolis am 10. August 2015 im Schlosspark Karlsruhe seine Pforten.

Der Tagesablauf

Vorab waren die Kinder in Stammgruppen, die durch ein Gruppensymbol gekennzeichnet waren, eingeteilt. Mit Beginn der Spielstadt um 9Uhr trafen sich immer ca. zwölf Kinder zunächst  mit ihrer Stammgruppenbetreuerin bzw. ihrem Stammgruppenbetreuer vor den Toren der Spielstadt. Von dort aus ging es gemeinsam ins  große Versammlungszelt, in dem das offizielle Programm jeden Morgen mit dem Karlopolis-Lied begonnen wurde. Der Moderator  informierte über die wichtigsten Neuigkeiten oder bevorstehende Ereignisse. Nun wurde es Zeit, einen Beruf auszuwählen. Im Anschluss daran öffnete hierfür die Arbeitsagentur ihreTüren und die Kinder hatten Zeit, sich einen Beruf auszuwählen.
Damit der Ansturm geregelt von Statten gehen konnte, bekam im Vorfeld jede Stammgruppe einen Termin für die Arbeitsagentur. Am ersten Vormittag war einzig die Arbeitsagentur geöffnet. Während die ersten Kinder sich ihre Berufe für den Nachmittag sowie für den darauffolgenden Tag aussuchen konnten, besichtigten die restlichen Gruppen das Gelände und bekamen von den Expertinnen und Experten die jeweiligen Berufsmöglichkeiten erklärt. In der Arbeitsagentur bekamen die Kinder nun ihren Arbeits-Button, mit dem sie sich bei dem ausgewählten Betrieb am Nachmittag vorstellten. Insgesamt hatten die Kinder die Möglichkeit zwischen 43 Berufen zu wählen.

Ab dem zweiten Tag konnten sich die Kinder in der Arbeitsagentur immer den Beruf für den jeweils nächsten Tag aussuchen, sodass eine Abwechslung sichergestellt war und jeder die Chance hatte, seinen Wunsch-Beruf auszuüben. Auch die Gründung eines eigenen Betriebs war möglich und willkommen. Viele Kinder hatten bereits Ideen mitgebracht, was sie in ihrem Beruf realisieren wollen und brauchten dazu nur die fachliche Unterstützung. Andere wiederum warteten auf einen Impuls, der durch einen Auftrag ausgelöst wurde, oder bekamen Hinweise von den Anleitern.

Um 12 Uhr war die gemeinsame Mittagspause. Begleitet von den Stammgruppenbetreuer_innen wanderten die Kinder vom Schlosspark zur KSC-Gaststätte, um dort ein Mittagessen einzunehmen.
Ab 13 Uhr ging es zurück nach Karlopolis, um die Arbeit in der zweiten Schicht fortzusetzen.
Generell war es den Kindern stets auch freigestellt – natürlich in Absprache mit den anderen Kindern und Expert*innen im Betrieb – ihre Zeit in Karlopolis auch für die angeboten Freizeitmöglichkeiten zu nutzen oder ihr verdientes Geld wieder auszugeben.

Gegen 16 Uhr wurde die Arbeit in den Betrieben eingestellt und die Arbeitsplätze aufgeräumt. Das tägliche Finale bestand in der abendlichen Bürgerversammlung, bei der wiederum vom Moderator die täglichen Neuigkeiten verkündet wurden oder die Kinder Anregungen an die Organisatoren oder den Stadtrat vorbringen konnten. Mit dem gemeinsam gesungenen Karlopolis-Lied fand der Tag seinen Abschluss, der mit dem Auszug in den Stammgruppen aus Karlopolis endete.

Wahlen und Funktionen

Eine Kinderspielstadt bietet nicht nur richtige Berufe und eine mehr oder weniger funktionierende Geldwirtschaft an, sondern sie ist auch ein politisches Gemeinwesen mit allen wichtigen Funktionen, die auch in der “großen“ Stadt vorhanden sind. Nachdem sich die Kinder in Karlopolis eingelebt hatten, sollte auch ein Bürgermeister und eine Bürgermeisterin sowie ein Stadtrat gewählt werden.
Etliche Jungs und Mädchen hatten den Mut sich zur Wahl zu stellen. Es entstand ein richtiger Wahlkampf mit Plakaten, Flyern, Kundgebungen und Infoständen. Schließlich gab es im großen Zelt eine Vorstellungsrunde vor allen Kindern. Dabei hielten die Kandidatinnen und Kandidaten richtige Wahlkampfreden, die an die großen Vorbilder erinnerten. Die anschließende Wahl wurde geheim durchgeführt. Das Mädchen und der Junge mit den meisten Stimmen wurden zu Bürgermeisterin und Bürgermeister gewählt. Unter den restlichen Personen wurden die 5 Kinder, die die meisten Stimmen erhielten, als Stadtrat bestimmt.

Das Gremium tagte täglich mehrfach und erließ Gesetze und Anordnungen für die Bürgerinnen und Bürger von Karlopolis. Allerdings waren diese nicht mit allen Beschlüssen des Gremiums einverstanden und engagierten sich gegebenenfalls in gemeinsamen Aktionen dagegen, sodass so mancher Beschluss auch wieder zurückgenommen werden musste.

Geldwirtschaft

Was auch immer ein Betrieb zu produzieren gedachte, zu welchen Preisen die Waren verkauft werden sollten, die Vergabe von Aufträgen oder was mit erwirtschafteten Gewinnen passieren sollte – all das bestimmten die Kinder selbst. Die einen investierten ihre verdienten „₡arlos“ bei „Kunst & Krempel“ um den eigenen Betrieb zu verschönern, die anderen ließen sich – aus demselben Grund – in der Gärtnerei Blumenbeete konstruieren, samt Pflege der Pflanzen für die restliche Woche. Auch in Werbung wurde natürlich kräftig investiert. Sei es bei der Kunstmalerei, die Plakate gestalteten, welche wiederum bei der Druckerei vervielfältigt wurden. Oder als Anzeige in den „Karlsruher Neuesten Nachrichten (KNN)“ sowie als Werbespot bei „Radio Karlopolis“. So entstand innerhalb kürzester Zeit ein richtiger Wirtschafts- und Warenkreislauf.

Aber auch weit uneigennütziger wurden  die verdienten ₡arlos teilweise investiert. Denn wie im richtigen Leben auch stellte sich bald heraus, dass so manches Gewerbe weitaus besser Geld verdiente als andere Branchen. Doch sowie bekannt wurde, dass die ersten Betriebe pleite zu gehen drohten, kam die große Spendenbereitschaft der Kinder in den „reichen“ Betrieben zu Tage. Und bald wurde es beinahe schon zu einem festen Ritual, die täglichen Bürgerversammlungen mit einer Art „Spenden-Gala“ zu eröffnen. Weitere Unterstützung gab es bei Bedarf auch aus der Stadtkasse, die die Steuergelder natürlich auch für Investitions- und Strukturprogramme ausgeben durfte.

Die Stadt – Ein Rundgang

Wir betraten die Stadt beim großen Zelt und gingen durch das Elterncafé. Hier war immer was los: Eltern und Neugierige tranken Kaffee oder aßen einige der Köstlichkeiten aus der Bäckerei. Im Schatten der Bäume konnten die Gäste hier stets die aktuelle Ausgabe der KNN lesen – natürlich stilecht mit Zeitungshalter aus der Karlopolis-Schreinerei. Auch am Souvenir-Stand, den die Betriebe mit dem Verkauf von produzierten Waren betrauen konnten, deckten sich viele Eltern ein.

Betrat man nun die eigentliche Kinderspielspielstadt, ging es vorbei an der Bäckerei zum großen Versammlungszelt. Vor dem Zelt befand sich ein Marktplatz für Versammlungen und Veranstaltungen. Um den Marktplatz waren etliche kleine Häuser gruppiert in denen z.B. der Arzt, die Bankoder auch das Foto-Studio untergebracht waren. Hier fiel sogleich auch der Sendemast von „Radio Karlopolis“ ins Auge. Dessen Sinn erschloss sich spätestens mit Betreten des Marktplatzes: Aus den unterschiedlichsten Richtungen erklang die Musik, Werbung oder Interviews, die die Kinder in diesem Betrieb zusammenstellten und die die Bürgerinnen und Bürger mit kleinen Radios empfangen konnten.

Vom Marktplatz ging ein zweigeteilter Straßenzug ab. In der Mitte befanden sich etwa die in liebevoller Arbeit hübsch dekorierte Post, das Rathaus, die Zeitung und die Druckerei. Rechts Gegenüber waren das Erfinderhaus und die Autowerkstatt sowie etliche weiteren Betriebe untergebracht. Damit sich auch jedes Kind im Straßen-Dschungel zurechtfand, konnte man am Marktplatz einen aktuellen Stadtplan einsehen, den die Kinder im Stadtplanungsamt im Rathaus stetig aktualisierten.

Nun betraten wir wieder einen großen Platz. Um diesen herum waren der WellnessSalon, die Gärtnerei, der Recycling Hof und das Filmstudio zu finden. Wir traten in den zweiten, parallel verlaufenden Straßenzug ein, der wieder zurück zum Markplatz führte, und passierten den Sportpark, die Roboterwerkstatt sowie die up-cycling-Künstlerinnen und Künstler von „Kunst & Krempel“.

Berufe

Arzt, Bäcker, Verkäufer, Automechaniker, Künstler, Kunstmaler, Mosaikleger, Töpfer, Filzer,
Wellness Salon, Holzwerkstatt, Schreiner, Grünholzwerkstatt, Gärtner, Fahrradwerkstatt, Roboterwerkstatt, Musiker, Sportlehrer, Fotograf, Zeitungs-Redakteur, Radiomoderator, Banker, Recyclingfachmann, Versicherungsagent, Erfinder, FairKäufer, Wirtschaftsförderer, Polizist, Bücherei & Spielothek, Kameramann & Regisseur, Schneider, Drucker, Schauspieler, Zirkusartist, Maler, Reiseleiter, Briefträger, Verkäufer, Gastwirt, Lagerist, Beamter, Feuerwehrmann, Handwerker.
(Der Einfachheit halber wurde nur die männliche Schreibweise verwendet.)

Unsere Partner

Amt für Abfallwirtschaft, AOK, Arbeitsförderungsbetriebe, BBBank, Bäckerei Köhler, BGV, BNN, Branddirektion Karlsruhe, die neue welle, Füllhorn, Graf Hardenberg Volkswagenzentrum Karlsruhe, KIT, LIDL, Röser Verlag, Stadtwerke Karlsruhe, Stadtmarketing Karlsruhe, Volksbank Karlsruhe, WERKRAUM:Karlsruhe;

Daten

– Pro Woche 300 Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren
– Altersdurchmischung relativ gleichmäßig verteilt
– Mädchen/Jungen Anteil ca. 50:50
– Anwesenheit pro Woche:  5 Tage
– Spielzeit: täglich 9 bis 16.30 Uhr
– Frühbetreuung mit Frühstück ab 7.30 Uhr (gegen Aufpreis)
– Kern-Team: 6 Personen
– Stammgruppenbetreuer_innen: ca. 25 Personen
– Expert_innen: ca. 35 Personen
– 7 Sponsoren
– Veranstalter: Stadtjugendausschuss e.V. Karlsruhe, Moltkestraße 22, 76133 Karlsruhe

Welchen Berufen und Tätigkeiten können Kinder bei Karlopolis nachgehen?

Karlopolis Berufe

Architektin, Automechaniker, Robotererfinderin, Elektroniker, Erfinderin, Trainer, Verkäuferin, Versicherungsagent, Gärtnerin, Beraterin auf dem Arbeitsamt, Verwaltungsleiter im Rathaus, Zeitungsjournalistin, Radioreporter, Theaterschauspielerin, Feuerwehrmann, Banker, Müllmann, Schneiderin, Töpfer, Malerin, Filzschneider, Zimmermann, Fahrradmechanikerin, Schreinerin, Zirkusartist, Kunstmalerin, Bäcker, Eisverkäufer, Schmuckdesignerin, Bürgermeister/Bürgermeisterin, Kunsthändler, Tierpflegerin, Fotoreporter, Polizistin, Arzt, Bauer/Bäuerin